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Internationale Erfahrungen

  1. Allgemeines 

  2. Großbritannien

  3. Schweiz

  4. Niederlande

  5. Weitere laufende bzw. in Planung befindliche internationale Studien


1.   Allgemeines

  • Die geplante bundesdeutsche Studie zur heroingestützten Behandlung kann auf einige ausländische Untersuchungen aufbauen. Erfahrungen mit der Verschreibung von Heroin an Opiatabhängige liegen aus Großbritannien und der Schweiz vor. Auch in den Niederlanden läuft seit Mitte 1998 eine Klinische Studie. Allen Untersuchungen und Beobachtungen gemeinsam ist der generelle Verweis auf Machbarkeit und Akzeptanz von heroingestützten Behandlungen.

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2. Großbritannien

  • In Großbritannien besteht seit 1920 die Möglichkeit, sowohl in speziellen Drogen-Kliniken als auch durch niedergelassene Ärzte Heroin auch zur Behandlung von Süchtigen zu verschreiben. Heute werden in Großbritannien zwischen 200 und 300 Opiatabhängige mit Heroin behandelt – einige von ihnen schon seit 20 Jahren –, dies entspricht etwa 1 % bis 2 % der mit Opioiden behandelten Drogenabhängigen. Mehr als 100 Ärzte (ein Drittel davon in London) verfügen über die Erlaubnis, Heroin an Drogenabhängige zu verschreiben. Jedoch machen nur etwa 40 Ärzte von dieser Möglichkeit Gebrauch.

  • Wissenschaftliche Studien aus Großbritannien: 

§          Die bekannteste britische Studie von Hartnoll u.a. (1980), ein randomisierter Vergleich zwischen Heroin- und Methadon-Patienten, erbrachte hinsichtlich der Effekte keine eindeutige Aussage zugunsten der einen oder anderen Behandlungsform. So war z. B. die Abstinenzrate unter den Methadon-Patienten nach einem Jahr höher, die Heroinbehandlung hatte allerdings eine deutlich geringere Drop-out Rate zu verzeichnen.  

§          Die Untersuchung von Battersby et al. (1992) mit 40 Patienten, denen injizierbares Heroin oder Methadon verschrieben wurde, brachte insgesamt wenig Aufschluss über die Wirksamkeit und den Stellenwert der heroingestützten Behandlung. Gut ein Drittel der Untersuchungsteilnehmer zeigte Verbesserungen, allerdings hatte sich die Lebenssituation von 8 Patienten zum Ende der Behandlung (nach durchschnittlich 45 Wochen) verschlechtert (20 %). 

§          Eine weitere, aktuelle Studie von Metrebian u.a. (1996; 1998) begleitete die Durchführung der größten Heroinverschreibungs-Klinik in West London. 58 Patienten, die zwischen Heroin und Methadon wählen konnten, wurden in die Untersuchung eingeschlossen. 37 Patienten entschieden sich für injizierbares Heroin, weitere 21 Personen wurden mit injizierbarem Methadon substituiert. Nach 3 Monaten waren noch 50 Patienten in der Behandlung (86 %) und nach 12 Monaten 33 Patienten (57 %). Unter den in der Behandlung verbliebenen Patienten kam es zu einer signifikanten Abnahme des illegalen Drogenkonsums und des damit verbundenen Risikoverhaltens sowie zu einem Rückgang krimineller Handlungen. Ferner verbesserten sich der Gesundheitszustand und die soziale Integration. Ein direkter Vergleich zwischen der Heroin- und der Methadongruppe wurde allerdings nicht durchgeführt. 

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3. Schweiz

  • In der Schweiz begannen 1994 die „Versuche zur ärztlich kontrollierten Verschreibung von Betäubungsmitteln“ (PROVE). Insgesamt 1.146 Patienten haben an PROVE teilgenommen. Das Projekt wurde an 18 Behandlungsstellen in 15 Städten durchgeführt, die Forschungsorganisation lag bei dem Institut für Suchtforschung (ISF) in Verbindung mit dem Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich (ISPMZ). Die Datenerhebung des Projekts wurde 1996 abgeschlossen. 

  • Ergebnisse: 

§          Deutlicher als in den britischen Untersuchungen schließen die Autoren der Schweizer Evaluationsstudie mit der Empfehlung, die „restriktiv gehandhabte“, auf eine bestimmte Zielgruppe ausgerichtete heroingestützte Behandlung in speziellen Polikliniken weiterzuführen. Die Machbarkeit eines solchen Projekts konnte nachgewiesen werden.  

§          Die Haltequote war relativ hoch, sie betrug 89 % nach sechs und 69 % nach 18 Monaten. Es ergaben sich zahlreiche positive Effekte der Heroinverschreibung: Die körperliche Gesundheit der Patienten verbesserte sich, insbesondere in bezug auf den Allgemein- und Ernährungszustand und injektionsbedingte Hautkrankheiten. Depressionen, Angstzustände und Wahnvorstellungen gingen kontinuierlich zurück. Der Konsum von illegalem Heroin und Kokain ging rasch und deutlich zurück, der zusätzliche Gebrauch von Benzodiazepinen allerdings nur langsam und der von Alkohol und Cannabis kaum. Auch die soziale Situation der Patienten verbesserte sich deutlich: So hat sich die Wohnsituation stabilisiert; keiner der Teilnehmer ist mehr obdachlos. Die Zahl der festen Anstellungen hat sich von 14 auf 32 Prozent mehr als verdoppelt; nur noch 20 Prozent sind arbeitslos. Schulden konnten kontinuierlich und in großem Umfang abgebaut werden, Kontakte zur Drogenszene nahmen massiv ab. Nur noch zehn Prozent der Teilnehmenden hat ein Einkommen aus illegalen und ‘halblegalen’ Aktivitäten; vor Versuchsbeginn waren es 69 Prozent.  

  • Im Rahmen des Schweizer Projekts ist im Kanton Genf von Perneger u.a. (1998) eine randomisierte Kontrollgruppenstudie durchgeführt worden, die Heroinpatienten mit Teilnehmern anderer Therapieformen vergleicht. Eine Gruppe der nach den Schweizer Indikationskriterien rekrutierten Heroinabhängigen wurde entweder direkt der Heroinbehandlung oder einer 6-Monats-Warteliste, verbunden mit der Möglichkeit einer anderen (medikamentösen) Behandlungsform zu folgen, randomisiert zugeteilt. Letztere konnten nach sechs Monaten in die Heroinbehandlung übertreten. Ursprünglich waren jeweils 40 Patienten pro Gruppe vorgesehen, es meldeten sich allerdings nur 73 Personen, von denen wiederum nur 57 die Studienvoraussetzungen erfüllten. Zum Abschluss des 6-monatigen Untersuchungszeitraums lagen von 27 Patienten der Heroin- und 21 der Kontrollgruppe, von denen die meisten eine Methadonbehandlung begannen, Ergebnisse vor. Bei den Heroinpatienten gab es einen signifikant stärkeren Rückgang des illegalen Heroin- und Benzodiazepinkonsums. Ferner nahmen Suizidversuche im Vergleich zur Kontrollgruppe, bei der eine Zunahme zu beobachten war, deutlich ab. Dies korrespondierte mit einer erhöhten Anzahl ärztlicher Behandlungen aufgrund psychischer Probleme unter den Heroinpatienten. Schließlich kam es bei der Experimentalgruppe zu einem signifikanten Rückgang illegaler Einkommensquellen und damit einhergehend zu einer gegenüber der Kontrollgruppe signifikant stärkeren Abnahme von Delikten bzw. Anklagen. 

  • Im Frühjahr 1999 erschien der Bericht einer von der WHO eingesetzten Expertenkommission zur externen Beurteilung der Ergebnisse des Schweizer Heroinverschreibungsprojekts (WHO 1999): 

§         Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass die Machbarkeit einer kontrollierten Verschreibung von injizierbarem Heroin an Drogenabhängige durch das Projekt belegt und die Einstellung der Patienten auf eine stabile Dosis demonstriert werden konnte. Die relativ gute Haltequote der Behandlung wird hervorgehoben. Ferner werden die Verbesserung der körperlichen und psychischen Gesundheit und der sozialen Integration sowie ein Rückgang des Drogenkonsums und krimineller Verhaltensweisen bestätigt.

§         Der entscheidende Kritikpunkt der Gutachter, der teilweise als Scheitern des Projekts (miss-)interpretiert worden ist, besteht in einer mangelnden Aussagekraft, inwieweit die dargestellten Effekte ursächlich auf die Heroinbehandlung oder aber auf das relativ aufwendige, psychosoziale Maßnahmen umfassende Gesamt-Behandlungsprogramm zurückzuführen seien. Hier wird auf das nicht hinreichende naturalistische Untersuchungsdesign hingewiesen, das bezüglich evaluativer Fragestellungen gegenüber randomisierten Kontrollgruppenstudien eine geringere interne Validität besitzt. 

§         Eine weitere Kritik des WHO-Gutachtens bezog sich auf das Fehlen einer Kontrollgruppe, d. h., die dargestellten Effekte könnten nicht im Vergleich zu anderen Interventionen beurteilt werden. Es wurde im Rahmen des PROVE-Projekts jedoch eine Vergleichsstudie durchgeführt, die allerdings nur den deutschsprachigen Gutachtern rechtzeitig vorlag. Die 1998 fertiggestellte Untersuchung von Dobler-Mikola u.a. (1998) vergleicht die Behandlungsverläufe von Patienten der „herkömmlichen“ Methadonsubstitution mit denen der heroingestützten Behandlung.

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4. Niederlande

  • In den Niederlanden wurde in einem von 1998 bis 2001 laufenden Forschungsprojekt die medizinische Ko-Verschreibung von Heroin an langjährig Opiatabhängige untersucht. Insgesamt 549 Patienten nahmen an der Untersuchung teil. 

  • Informationen zu den Ergebnissen der niederländischen Studie lesen Sie hier: Niederländische Ergebnisse bekräftigen das bundesdeutsche Modellprojekt

  • Das niederländische Projekt stellte insofern eine Besonderheit dar, als nur methadonsubstituierte Klienten in die Behandlung aufgenommen wurden. Ferner wurden injizierbares und inhalierbares Heroin angeboten, um der in Holland unter den Heroinabhängigen überwiegenden Applikationsform des Rauchens Rechnung zu tragen.

  • Das Heroinverschreibungsprojekt wurde als Klinische Studie gemäß den Standards „Guter Klinischer Praxis“ (GCP) durchgeführt. Die Studie hatte zum Ziel, die Wirksamkeit einer kombinierten Methadon-Heroin-Behandlung über 12 Monate gegenüber einer ebenfalls 12-monatigen oralen Methadonbehandlung hinsichtlich der Verringerung des illegalen Drogenkonsums sowie der Verbesserung des gesundheitlichen Zustands und der sozialen Integration bei chronischen, therapieresistenten Heroinabhängigen zu beurteilen.

  • In dem – jeweils für injizier- und inhalierbares Heroin getrennt ausgearbeiteten – 3-armigen Untersuchungsdesign (Laufzeit 20 Monate) wurde den randomisierten Untersuchungsgruppen A, B und C über verschiedene Zeiträume hinweg zusätzlich zum Methadon Heroin verschrieben. Nach einer 2-monatigen Vorphase, die der Indikation und Überprüfung der Behandlungsbereitschaft diente, erhielt die Gruppe B (N=115) für 12 Monate (zusätzlich) Heroin, die Gruppe A (N=135) wird für 12 Monate ausschließlich mit Methadon substituiert. Nach Abschluss dieser Phase wurde der Gruppe A – gewissermaßen als Anreiz, über die gesamte Studiendauer in der Kontrollgruppe zu verbleiben –, für 6 Monate Heroin verschrieben; Gruppe B wurde das Heroin wieder entzogen und (für weitere 6 Monate) allein mit Methadon weiterbehandelt. Die Untersuchungsgruppe C (N=125) erhielt ebenfalls Heroin verschrieben, im Gegensatz zur Gruppe B allerdings nur für 6 Monate, nachdem sie 6 Monate zuvor (im Anschluss an die Randomisierung) ausschließlich mit Methadon substituiert wurde. Hierdurch sollten eventuelle Wirksamkeits-Unterschiede zwischen einer 6- und einer 12-monatigen Heroinbehandlung untersucht werden.

  •  Aufgrund der geringeren Patientenzahl, die unter injizierenden Heroinabhängigen rekrutiert werden konnte, hat man beim Injektions-Projekt auf die Gruppe C verzichtet. Damit beläuft sich die Gesamtzahl aller Untersuchungsteilnehmer auf  625 Patienten, 375 im Inhalations-Projekt und 250 im Injektions-Projekt.

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5. Weitere laufende bzw. in Planung befindliche internationale Studien

  • Seit der Intensivierung der Forschung in diesem Feld, insbesondere durch die Schweizer Studie Mitte der Neunziger Jahre, beschäftigen sich international mehrere Arbeitsgruppen mit der Frage der Integration von medizinisch indizierter Heroinvergabe in die Behandlung bisher nicht erreichter oder erfolglos behandelter Heroinabhängiger. Wenngleich bisher nur wenige Wissenschaftlergruppen aufgrund rechtlicher und ökonomischer Beschränkungen empirische Studien realisieren konnten, hat sich ein internationaler methodischer wie theoretischer Diskurs entwickelt, der die weitere Entwicklung in der Suchtforschung beeinflussen dürfte.

  • Bisher wurden ausgearbeitete Designvorschläge von Arbeitsgruppen aus Australien (Arbeitsgruppe Bammer), Kanada und den USA (Arbeitsgruppe Vlahov), Belgien (Arbeitsgruppe Reggers), Großbritannien (Arbeitsgruppe Stimson) und Spanien (z. B. Arbeitsgruppe Casas et al.) vorgelegt. Initiativen von Klinikern zum Einsatz von Heroin gibt es darüber hinaus in Italien und Frankreich.

  • Mitte April 2001 hat die spanische Regierung die Regionen des Landes dazu autorisiert, Heroinverschreibungsprojekte für Drogenabhängige zu starten, bei denen andere Therapien versagt haben. Das Projekt wird in Andalusien, Madrid, Valencia und Katalonien durchgeführt, es werden insgesamt 500 Patienten teilnehmen.

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    Updated: 11.09.02